Polizei bereitet sich weiter auf einen Einsatz vor. Auch DGB hält an Mobilisierung fest
Aufatmen in Politik und Verwaltung: Alle sind froh über das Verbot der Nazi-Demo. DGB und Polizei kommen sich wieder näher – und bleiben dennoch in Sorge, was am 1. Mai passiert.
VON VERA KÖNIG
UND BRITTA LÜERS
HANNOVER. Kommunikation war angesagt am Tag nach den heftigen Vorwürfen von Polizeipräsident Uwe Binias gegen DGB-Regionschef Sebastian Wertmüller. Beide Seiten trafen sich gestern, um das weitere Vorgehen bei den Vorbereitungen zum 1. Mai zu besprechen. Eineinhalb Stunden dauerte die Sitzung. Es sei ein „offener Dialog“ gewesen, so Polizeisprecher Stefan Wittke.
An dessen Ende bedankte sich Wertmüller bei der Polizei. Sie habe sehr gute Vorarbeit zum Verbot des Nazi-Aufmarsches geleistet. Weil jedoch eine anders lautende Entscheidung höherer Instanzen nach wie vor möglich ist, laufen bei der Polizei die Vorbereitungen weiter. Wittke: „Wir halten uns bereit, bis wir die letzte rechtliche Sicherheit haben.“
Binias: „Ich erwarte, dass das Demonstrationsverbot auch in der nächsten Instanz Bestand haben wird.“ Auch Rechtsexperten haben daran seit gestern immer weniger Zweifel. Unterdessen hält der DGB weiter an der Mobilisierung zum Protest fest. Wertmüller: „Von Skatern zu Sportlern, von Wohlfahrtsverbänden zu Kirchen, von der Gewerkschaftsjugend zum Seniorenbeirat: Alle rufen auf, und alle machen mit!“
Dass auf der Homepage des DGB auch Gruppen mitmachen, die Blockaden oder Umzingelungen proben (NP berichtete), hatte den Ärger von Binias ausgelöst. Er hatte dem DGB vorgeworfen, verantwortungslos zu handeln.
Auch Oberbürgermeister Stephan Weil warnt vor Umzingelungen. Die Polizei werde eine mögliche Kundgebung von Neonazis großräumig absperren. Gegenprotest bringe die Beamten in Gefahr, „denn sie stehen zwischen den Seiten“. Es müsse alles getan werden, um die Demo-Züge voneinander zu trennen, so Wittke. Eine Umzingelungstaktik sei daher aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Denn: „Es könnte eine lebensgefährliche Eskalation drohen.“
Noch ist nicht entschieden, ob es am 1. Mai außer Kundgebung und Fest auf dem Klagesmarkt auch zu drei anderen Aktionen kommt. Um sich in den Neonazis in den Weg zu stellen, waren Versammlungen am Hermesplatz, an der Ecke Friesenstraße/Hamburger Allee und am Hauptbahnhof geplant. Am Hermesplatz wollten sich auch die Grünen mit Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer an Aktionen beteiligen.
DAS VERBOT
Mit seinem gestrigen Beschluss bestätigte das Verwaltungsgericht Hannover die Auffassung von Polizeipräsident Uwe Binias. Nicht nur auf Grund der über 1000 angemeldeten Demonstranten, sondern insbesondere, weil sich „Autonome Nationalisten“ unter den Teilnehmen befänden, sei mit schweren Krawallen zu rechnen.
Auch dem Argument des „polizeilichen Notstands“ folgten die Richter. Denn zahlreiche Beamte seien bundesweit bei Mai-Veranstaltungen im Einsatz. Offen ließ das Gericht hingegen, ob bereits das Versammlungsmotto „Schluss mit Verarmung, Überfremdung und Meinungsdiktatur – nationaler Sozialismus jetzt“ eine Gefährdung der Öffentlichkeit darstellt.
Dass die Anmelder der Demo sich mit dieser Entscheidung abfinden, gilt als unwahrscheinlich. „Sie werden den Weg durch die weiteren Instanzen gehen“, so ein Polizeisprecher. Innerhalb von 14 Tagen können die Veranstalter Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen. Eine Gerichtssprecherin: „Sie werden das aber zügiger machen, um bei einer Niederlage in die nächste Instanz zu gehen.“ bl
DIE REAKTIONEN
Als beste Nachricht des Tages haben viele in Politik und Verwaltung gestern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewertet. OB Stephan Weil sagte: „Es bleibt dabei: Hannover gibt Nazis keinen Meter Platz.“ Regionspräsident Hauke Jagau meinte: „Wir werden weiter zeigen, dass wir bunt statt braun wollen. Aber das Urteil macht es einfacher, das auch umzusetzen.“
„Gut, dass es beim Verbot bleibt“, sagte Handwerkskammerpräsident Walter Heitmüller, „Extremisten gleich welcher Farbe gehören nicht in die Stadt.“ „Ein vernünftiges Urteil“, kommentierte CDU-Fraktionschef Rainer Lensing das Nein zum Nazi-Aufmarsch. Er lobte, dass das Gericht schwerwiegenden Bedenken gegen mögliche Gewalttaten durch autonome Nationalisten gefolgt sei. FDP-Fraktionsvorsitzender Wilfried Engelke hofft, dass „mit dem Urteil auch alle Umzingelungsideen ein Ende haben“. Zu groß sei die Gefahr, dass Gegenprotest aus dem Ruder laufe.
„Eine der besten Entscheidungen“, würdigte Bernd Voorhamme von der City-Gemeinschaft die Einstellung der Justiz. Er hoffe, „dass das Verbot von Dauer bleibt“. kig
Linke üben heute für die Gegendemonstration
HANNOVER. Trotz der Gerichtsentscheidung ist die Gefahr eines Naziaufmarschs am 1. Mai nicht vom Tisch. Daher werde das „Umzingelungsbündnis“ sein öffentliches Aktionstraining heute ab 17 Uhr am ZOB wie geplant veranstalten, so Martin Kramer, Sprecher der die Übung organisierenden Linksgruppe Avanti.
„Das Aktionstraining am ZOB ist genehmigt und darf stattfinden“, bestätigte Polizeisprecher Stefan Wittke. Allerdings: „Das Blockade-Training haben wir per Verfügung untersagt.“ Beamte würden die Veranstaltung im Blick behalten. „Wenn dagegen verstoßen wird, wird das Ganze aufgelöst.“
Auflagen, die der Avanti-Sprecher scharf als Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands kritisiert. Doch von einer Umzingelung der Nazis, zu der im Internet noch aufgerufen wird, spricht er offiziell nicht mehr. Auf drei Kundgebungen, zwei am ZOB, einer in der Bahnunterführung, soll die Masse der Gegendemonstranten ein Durchkommen der Nazis verhindern.
„Wir wollen keine direkte Konfrontation“, versichert Kramer. „Wir wollen aber, dass unser Protest von den Adressaten auch wahrgenommen wird.“ Ein multikulturelles Fest in sicherer Entfernung reiche nicht aus. Das Aktionstraining soll mit Mitteln des Theaters und Rollenspiels auf mögliche Situationen während der Demo vorbereiten und Ängste abbauen. Der Protest selbst solle „ganz klar gewaltfrei“ ablaufen. Auf Chaoten in den eigenen Reihen würden Ordner und Teilnehmer „ein Auge haben“, so Kramer. Bei Angriffen der Rechten setzt er auf die Polizei. „Die wird mit einem großen Aufgebot zwischen uns stehen.“ kra/bl
GRUPPE „AVANTI“
Hinter dem Aktionstraining steckt die linke Gruppe „Avanti – Projekt undogmatische Linke“, deren Ortsgruppe Hannover im UJZ Kornstraße registriert ist.
Das Selbstverständnis ist linksradikal, der revolutionäre Wandel der Gesellschaft erklärtes Ziel. Avanti versucht auf der Ebene der linken Splittergruppen und Aktivisten, neue Organisationsstrukturen zu etablieren. Die Gruppe ist auch noch in Bremen, Flensburg, Hamburg, Lübeck, Kiel und Norderstedt aktiv. kra
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