Auf der jüngsten Sitzung des niedersächsischen Landtags ist der Versuch einer fraktionsübergreifenden Stellungnahme zum geplanten Neonazi-Aufmarsch am 01. Mai 2009 in Hannover gescheitert. Weil die Regierungskoalition aus CDU und FDP offenbar nicht mit der Landtagsfraktion der Linkspartei stimmen wollte, wurde am vergangenen 27. März 2009 über insgesamt drei Anträge zum Thema beraten.
Von Kai Budler
Zwei Anträge der Grünen und der Linkspartei zur Vorbereitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens und zur “Abschaltung” der V-Leute in der NPD wurden ohne Diskussion in den Innenausschuss überwiesen. Unter dem Titel „Rechtsextremismus konsequent entgegentreten“ hatten SPD und Grüne weitestgehend deckungsgleiche Anträge eingebracht, um ein Signal gegen den geplanten Aufmarsch der Rechtsextremen zu setzen. Darin heißt es: „Alle Menschen in Niedersachsen sind aufgerufen, sich an friedlichen Protesten und Aktivitäten gegen das Auftreten von Rechtsextremen und Neonazis in Hannover am 1. Mai zu beteiligen.”
Ein Passus, der sich auch in dem Dokument von CDU und FDP findet, den Fraktionen zur Abgrenzung aber offensichtlich nicht ausreicht. So heißt es in ihrem zur Beratung eingebrachten Antrag zum 1. Mai auch: „Der Landtag setzt sich für eine nachhaltige Bekämpfung des politischen Extremismus in jeder Form ein. Im Sinne einer wehrhaften Demokratie sind dabei alle Erscheinungsformen, ob rechtsextreme, linksextreme oder radikal-islamistische Bestrebungen im Auge zu behalten.” Der Antrag wurde gegen die Stimmen von SPD und Linkspartei sowie mit einer Enthaltung der Grünen-Abgeordneten beschlossen.
Innenminister Schünemann begründete den zusätzlichen Absatz mit einem autonomen „schwarzen Block“, den die Polizei bei der Demonstration gegen Nazis in Hannover erwarte. „Es wäre fatal, wenn gewaltbereite Linksautonome durch ihr Auftreten diese Botschaft in Misskredit bringen“, sagte der Minister. Beobachter vermuten vielmehr, dass die Formulierung bewusst gewählt wurde, um im Wahljahr 2009 nicht mit der Linkspartei stimmen zu müssen. Zeigt doch der Rückblick auf den Neonazi-Aufmarsch am 01. Mai 2008 in Hamburg, dass die Gewalt gegen Personen dort von der rechtsextremen Szene ausgegangen war.
Diese Analyse spiegelt sich auch in Begründung des Demonstrationsverbotes in Hannover. In der entsprechenden Verbotsverfügung an den Anmelder Dennis Bührig schreibt Hannovers Polizeipräsident Uwe Binias: “Es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die von Ihnen angemeldete Aktion einen ähnlichen Verlauf nehmen wird wie die in Hamburg.” Dabei war es aus dem Neonazi-Aufmarsch heraus zu gezielten Angriffen auf Journalisten, Gegendemonstranten und Polizisten gekommen, sie wurden u.a. mit Steinen und Flaschen beworfen und getreten. Als die Hetze auf einschlägigen Neonazi-Seiten fortgesetzt wurde, nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen „Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ auf.
Für die Landesregierung und ihren Innenminister spielen diese Übergriffe offenbar nur eine untergeordnete Rolle, wie Schünemanns Antwort auf eine Kleine Anfrage im Landtag zeigt. Demnach finden im Vorfeld des 1. Mai zwar schon wöchentliche Einsatzbesprechungen der Polizeidirektion Hannover statt. „Erkenntnisse über konkrete Gefährdungen an- und abreisender Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Gegendemonstrationen“ lägen jedoch nicht vor.
Neonazis wollen Rechtsmittel einlegen
Unterdessen ist zu erwarten, dass Bührig als Anmelder des Aufmarsches Rechtsmittel gegen die Verfügung einlegen wird. Auf der entsprechenden Homepage heißt es großspurig, man erwarte, dass die Gerichte das Verbot kippten: “Derzeit arbeiten unsere Fachleute mit Hochdruck daran das Verbot anzufechten (…) Unser Anmelder hat bereits angekündigt notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen.“
Dabei geht nicht nur um das Verbot, sondern auch um die Person Dennis Bührig, dem die Polizeidirektion Hannover in der Verfügung „eine erhebliche Gewaltneigung“ bescheinigt und davon ausgeht, dass er Gewalttätigkeiten bewusst einkalkuliere. Bührig gilt der Polizei als “maßgeblicher Organisator von Winter– und Sonnenwendfeiern der rechtsextremen Szene auf dem ‘Hof Nahtz’ in Eschede”. Außerdem ist er führendes Mitglied der Kameradschaft „73 Celle“, die nach Angaben des niedersächsischen Verfassungsschutzes zu den besonders aktiven Neonazi-Gruppen in Niedersachsen zählt. Erst Mitte März dieses Jahres führte die Polizei bei Bührig eine Hausdurchsuchung wegen der Verbreitung von Musik mit volksverhetzenden Inhalten durch.