npd-blog.info: Die Nazis und der 1. Mai: Von Niedriglöhnen und dem Ende der Gewerkschaften

Am 1. Mai wollen Rechtsextremisten in mehreren Städten aufmarschieren. Dass die Nazis den 1. Mai für sich beanspruchen, ist nicht neu. Der zweite Teil, hier der erste.

Von Ernst Piper für NPD-BLOG.INFO

Der Nationalsozialismus war ein äußerst aggressiver völkischer Nationalismus, der sich zugleich einer sozialen Rhetorik bediente, die eine der Erklärungen für seine Massenwirksamkeit war. Die Usurpation des 1. Mai ist in diesem Kontext zu sehen. Bratwürste, Bier, Flugschau und Feuerwerk sollten den Arbeitern demonstrieren, dass der neue Regierungschef wirklich ein Herz für die kleinen Leute hatte. Nicht was einer tue, sei wichtig, sondern wie er es tue. Dieser Egalitarismus der Pflicht, dem autoritären Sozialismus des 18. Jahrhunderts entwachsen, war Ausdruck jener antiliberalen und antiwestlichen deutschen Tradition, die im Nationalsozialismus ihren radikalsten Ausdruck fand.

Die moderne Leistungsgesellschaft des 19. Jahrhunderts hatte ein robustes Arbeitsethos ausgebildet, in dem sich der ambivalente Charakter der Arbeit spiegelte. Auf der einen Seite war die Arbeit entscheidend für soziale Mobilität in einer Gesellschaft, in der die Position des einzelnen sich nicht mehr durch seinen Stand und sein Herkommen, sondern durch die Leistung bestimmte, andererseits leistete die sozialdarwinistische Verabsolutierung der Arbeit jenem Rigorismus Vorschub, der die Untüchtigen aus der Gemeinschaft ausschließen möchte. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ lautete eine populäre Parole, als deren pervertiertes Echo das nationalsozialistische Diktum von den „Ballastexistenzen“, den nutzlosen Essern, zu sehen ist. Tatsächlich war das Verhungernlassen von Geisteskranken in den psychiatrischen Anstalten schon lange vor 1933 verbreitet.

Die Nazis und der Niedriglohnsektor

Im zweiten Teil seiner Rede am 1. Mai 1933 verkündete der „Volkskanzler“ Adolf Hitler ein großes Arbeitsbeschaffungsprogramm. Der noch heute populärste Teil dieses Programms war der Bau der Reichsautobahnen, wobei häufig übersehen wird, dass dafür damals ein gewaltiger „Niedriglohnsektor“ geschaffen wurde. Die Arbeiter wurden gezwungen, dort zu arbeiten, was viele in die Verelendung trieb, denn die Arbeitslöhne, die für den Autobahnbau bezahlt wurden, lagen weit unter den Sozialhilfesätzen. Viele konnten nun ihre Familien nicht mehr ernähren. Wer sich weigerte, wanderte ins KZ.

Die zentrale Berliner Maifeier endete kurz vor Mitternacht mit einem gewaltigen Feuerwerk und dem Abspielen der Nationalhymne. Die „Berliner Morgenpost“ vermeldete anderntags stolz, dies sei die „größte Kundgebung aller Zeiten“ gewesen.

Das Ende der freien Gewerkschaften

Am nächsten Morgen lernten die deutschen Volksgenossen die andere Seite der Medaille kennen. Am 2. Mai fuhren gegen 10 Uhr Rollkommandos der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation und der SA im ganzen Land vor den Gewerkschaftshäusern vor. Die Gebäude wurden gestürmt, die Organisationen aufgelöst, ihr Vermögen beschlagnahmt. Es war das vorläufige Ende einer freien Gewerkschaftsbewegung in Deutschland. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) war eine sozialdemokratische Richtungsgewerkschaft gewesen. Auf der Linken hatte ihm die Rote Gewerkschaftsopposition (RGO) der KPD gegenüber gestanden, auf der Rechten die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO), zwei Organisationen, die sich im November 1932 überraschend verbündet hatten, um eine wilden Streik der Arbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe zu unterstützen.

Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ hatte die Führung des ADGB ihr Heil in einer opportunistischen Wendung gesucht. Der Sozialdemokrat Theodor Leipart, der seit 1921 Vorsitzender des ADGB war, hatte schon im Oktober 1932 erklärt, die Gewerkschaften seien nicht länger bereit, „Parteifesseln zu tragen“. Im Frühjahr 1933 wollte man sich „in den Dienst des neuen Staates stellen“. Zunächst überließ der ADGB es seinen Mitgliedern, ob sie an der ins Nationale gewendeten Maifeier teilnehmen wollten, doch am 19. April entschied der Bundesausschuss sich für die Teilnahmepflicht aller Gewerkschaftsmitglieder. Der SPD-Vorsitzende Otto Wels hatte zu Leipart gesagt: „Lass doch lieber das Hakenkreuz mit Gewalt auf die Dächer setzen, ehe Du freiwillig die schwarz-weiß-rote Fahne hisst.“ Leipart widersprach in der Sache nicht, aber er war ein gebrochener Mann, der für Widerstand keine Kraft mehr hatte.

Löhne wurden festgesetzt

Die Funktionäre des ADGB wurden verhaftet, viele gefoltert und nicht wenige auch ermordet. Die Millionen von einfachen Mitgliedern wurden zwangsweise eingegliedert in die am 10. Mai gegründete Deutsche Arbeitsfront (DAF). Die DAF vereinigte alle schaffenden Deutschen, Arbeiter, Angestellte und Unternehmer, und erreichte 1941 eine Mitgliederzahl von 25 Millionen. Entsprechend der Ideologie von der Volksgemeinschaft führte die DAF keine Tarifverhandlungen. Die Löhne wurden vielmehr von „Treuhändern der Arbeit“ festgesetzt. Die Unternehmer waren nun „Betriebsführer“, die Arbeiter und Angestellten wurden zur „Gefolgschaft“. Gemeinsam sollten sie eine „Betriebsgemeinschaft“ bilden, für die, wie für die Volksgemeinschaft insgesamt, das angeblich auf germanischer Tradition fußende Verhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft gelten sollte: „Ein deutschrechtliches Treueverhältnis ersetzt den jüdischen materialistischen Kampf um den Profitanteil.“

Volksgenossen statt Arbeiter

Im zweiten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft war von Arbeitern dann gar nicht mehr die Rede, nur noch von Volksgenossen. Das Gesetz über die Feiertage vom 27. Februar 1934, das den nationalsozialistischen Festkalender regulierte, bestimmte den 1. Mai zum „nationalen Feiertag des deutschen Volkes“. So blieb es bis zum bitteren Ende. Am 1. Mai 1945 vermeldeten die Rundfunksender, soweit sie noch in Funktion waren: „Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist.“ Tatsächlich hatte Hitler sich schon am Vortag das Leben genommen.

Der 1. Mai als staatlicher Feiertag hat das Dritte Reich überdauert. Schon lange gibt es wieder freie Gewerkschaften und es darf an diesem Tag wieder von den Forderungen und Interessen der abhängig Beschäftigten gesprochen werden. Doch die meisten von ihnen zieht es heute an einem solchen Tag eher ins Grüne. Dass es einst die Nazis waren, die diesen Tag zum Feiertag gemacht hatten, wissen wohl nur noch die wenigsten.

Der Historiker Ernst Piper lehrt an der Universität Potsdam. Von ihm erschien zuletzt eine “Kurze Geschichte des Nationalsozialismus – Von 1919 bis heute”.

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