Polizeipräsdent Uwe Binias sagt im HAZ-Interview, warum die Neonazi-Demo verboten gehört.
Herr Binias, Sie haben die geplante Kundgebung der Rechtsextremen am 1. Mai verboten – wohl wissend, dass Gerichte solche Verbote unter Hinweis auf die hohe Bedeutung der Demonstrationsfreiheit zumeist wieder aufgehoben haben. Gibt es in Hannover eine besondere Lage?
Wir sind der Meinung, dass eine Veranstaltung unter diesem Motto den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen würde. Die Demokratie wird als Meinungsdiktatur verunglimpft, die Demonstration soll sich gegen „Überfremdung“ richten, geworben wird für einen „Nationalen Sozialismus“. In Hannover ist die Polizei Versammlungsbehörde, und als deren Leiter kann ich nur sagen: Die Veranstaltung der rechten Szene darf vor diesem Hintergrund nicht stattfinden.
In Hamburg hat es vor einem Jahr ebenfalls zum 1. Mai eine solche Veranstaltung gegeben. Es kam zu schweren Krawallen. Ist Ähnliches in Hannover zu befürchten?
In Hamburg sind im vergangenen Jahr erstmals die „autonomen Nationalisten“ aufgetreten. Das sind Vermummte, die eine extreme Gewaltbereitschaft zeigen. Wir haben mit der Hamburger Polizei die Ereignisse von vor einem Jahr analysiert: Es hat hat dort eine neue Qualität der Gewalt der rechtsextremen Szene gegeben: Brände, Körperverletzung, Landfriedensbruch. Der Polizeipräsident dort hat nach den Ereignissen gesagt: „Es hätte Tote geben können.“ So eine Situation wäre in Hannover nicht beherrschbar.
Nun muss es hier ja nicht zwangsläufig zu einer solchen Eskalation kommen…
Wir haben aber klare Erkenntnisse, dass die rechtsextremen Gruppierungen die Kundgebung in Hannover als Folgeveranstaltung von Hamburg sehen. Der Aufruf ist der gleiche wie vor einem Jahr, wir müssen also unterstellen, dass es auch zu ähnlichen Aktionen kommt. Deshalb befürchten wir das Schlimmste. Nach Sichtung der Aufrufe gehen wir zurzeit davon aus, dass am 1. Mai mehr als tausend Rechtsextreme nach Hannover kommen wollen.
Und wie stark ist die Szene in Hannover?
Nach unseren Erkenntnissen ist Hannover ganz bestimmt keine Hochburg der Rechtsextremen. Wir haben keine auffällige Ansammlung von freien Kameradschaften, und die militanten „Autonomen Nationalisten“ sind hier auch noch nicht aufgetreten.
Was passiert denn, wenn die Gerichte das Demonstrationsverbot aufheben?
Um die Sicherheit in den Tagen um den 1. Mai gewährleisten zu können, würden wir mehr als 8000 Einsatzkräfte benötigen. Die kann Niedersachsen nicht allein zusammenbringen, wir sind auf Hilfe aus anderen Bundesländern angewiesen. Da gibt es aber auch ein Problem, weil rund um den 1. Mai viele friedliche Veranstaltungen stattfinden, aber auch etliche, die eine erhöhte Polizeipräsenz erfordern, etwa in Berlin, Ulm, Mainz und Dresden. In der kommenden Woche gibt es eine Besprechung auf Bundesebene, dabei sollen Einsatzkräfte verteilt werden. Ich muss damit rechnen, dass ich wesentlich weniger Kräfte bekommen würde, als wir für solch einen Einsatz in Hannover bräuchten. Das aber heißt: Wenn die Veranstaltung der Rechtsextremen am Ende in Hannover stattfände, muss ich Sorge haben, dass die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung nicht zu gewährleisten ist.
Es gibt Pläne der Gegendemonstranten, die Rechtsextremen am Zentralen Omnibusbahnhof zu „umzingeln“. Kann da nicht eine äußerst gefährliche Situation entstehen?
Eine solche „Umzingelung“ könnten wir genau aus diesem Grund nicht zulassen. Sollte die Veranstaltung der Rechtsextremen von den Gerichten erlaubt werden, würden wir einer Gegendemonstration am ZOB nicht zustimmen, weil das Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen einfach zu groß würde. Unser Ziel wäre dann, die Trennung der beiden Gruppen zum Beispiel durch die Bahnlinie, weil wir verhindern wollen, dass gewaltbereite Gruppen sich im Schutz der friedlichen Demonstration der rechten Veranstaltung nähern können.
Wäre Ihnen wohler, es gäbe keine Gegendemonstration?
Die Debatte gibt es ja seit Jahren, ob man Aufmärsche der Rechtsextremen nicht einfach ignorieren sollte. Ich habe vollstes Verständnis, dass die demokratischen Kräfte sich gegen solche Auftritte formieren wollen. Überhaupt nicht zu reagieren ist letztlich auch keine Möglichkeit. Ich habe nur die Bitte, dass der Protest gegen die Rechtsextremen friedlich bleibt.
Interview: Volker Goebel
Freie Kameradschaften
Mit dem Verbot rechtsradikaler Vereinigungen wie der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) oder der Nationalen Front (NF) fanden sich in den neunziger Jahren viele übrig gebliebene Rechtsradikale in den sogenannten freien Kameradschaften wieder. Diese lose und dezentral organisierten Klubs erfassen ihre Mitglieder nicht und sind demnach für die Ordnungskräfte schwerer zu identifizieren. Die Behörden gehen bundesweit von rund 200 Kameradschaften aus. Aussteiger sprechen davon, dass die unauffälligeren Mitglieder der Altorganisationen nach deren Verboten in die NPD strömten und die Partei damit radikalisierten, während die bereits polizeibekannten Neonazis auf der Ebene der freien Kameradschaften weiter agierten. Zwischen Partei und Kameradschaften besteht ein reger Austausch. So kandidierte der Anmelder der geplanten Demonstration in Hannover, der Celler Dennis Bührig, im vergangenen Jahr für die NPD im niedersächsischen Landtagswahlkampf. fx
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