HAZ: Nicht unter meinem Himmel/Rechte Aufmärsche in Niedersachsen

Was haben sich andere Städte gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen, wie er am 1. Mai auch in Hannover geplant ist, einfallen lassen? Rückschau auf bewegte Ereignisse in Köln.

VON FELIX HARBART

Es sind nur wenige Minuten, in denen Maic Zimmermann zum Held wird. Einige Minuten, die den Köln-Porzer Wirt mit Wurzeln in Westfalen und Vergangenheit auf Mallorca auch über die Grenzen Kölns hinaus bekannt machen – zumindest für ein paar Tage. Dabei hat er doch „nur gehandelt“ und „gar nicht groß nachgedacht“. Darüber nämlich, was er mit den 60 Neonazis machen soll, die auf ihrer Odyssee durch die Domstadt schließlich in seinem Ausflugslokal landeten. Zimmermann warf sie kraft seiner breitschultrigen Autorität aus seiner Gaststätte. Ein Handyfilmer hat den ganzen Vorgang ins Internet gestellt, seither gilt Maic Zimmermann, ob er es will oder nicht, als eine der Symbolfiguren für die Kölner Zivilcourage im Spätsommer 2008. Wochenlang hatte sich die Rheinmetropole gegen die Aktivisten des rechtspopulistischen Bündnisses „Pro Köln“ eingestimmt, die in der Stadt eine sogenannte Anti-Islam- Konferenz abhalten wollten. Zugesagt hatte rechtsextreme Prominenz aus halb Europa, von „Vlaams Belang“ aus Flandern bis zur französischen „Front National“ von Jean-Marie Le Pen. Aufhänger sollte der von „Pro Köln“ so verzweifelt wie erfolglos geführte Kampf gegen den Bau einer Großmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld sein.
Maic Zimmermann muss grinsen, wenn er sich erinnert, mit welchem Elan sich die Kölner Bürgergesellschaft vorbereitete, um den Rechtsextremen Paroli zu bieten. „Sie wissen ja, wie die Kölner sind“, sagt er. „Die machen aus allem ein Event.“ Die Nazigegner organisierten also ein Fest, ganz wie jetzt in Hannover, nur eben unter dem Motto „Köln stellt sich quer“. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (beide CDU) legten sich gegen die Neonazis ins Zeug. Schramma höchstpersönlich rief Anwohner und Geschäftsleute rund um den Kundgebungsort am Heumarkt auf, Fenster und Ladentüren geschlossen zu halten. Die Rechtsextremen sollten sich auf einem „toten Platz“ versammeln.
Zustande kam auf diese Weise ein Wochenende, das in Teilen als Lehrstück für kreativen Widerstand gegen Rechtsextreme herhalten kann. Auf der Domplatte sang eine Abordnung der „Vereinigung schwul-lesbischer Chöre“, die Kölner Wirte hatten sich zu der Aktion „Kein Kölsch für Nazis“ zusammengeschlossen, und die City schunkelte gegen rechts. Dabei wurde Schramma nicht müde, Gewaltlosigkeit zu fordern. „Leider hat es damit nicht bis zum Schluss geklappt“, sagt er heute.
In den engen Gassen der Altstadt bewegten sich damals rund 40 000 Menschen. „Das kann man irgendwann nicht mehr kontrollieren“, sagt der Oberbürgermeister. Einige Gegendemonstranten blockierten die Zufahrtswege zum Versammlungsort. Vermummte warfen Steine auf Polizeibeamte, einzelne Linksautonome versuchten sogar, den Polizisten ihre Dienstwaffen zu entreißen. In der Südstadt brannten Mülltonnen. Insgesamt nahm die Polizei 500 Demonstranten in Gewahrsam. Sechs Polizisten wurden verletzt. „Wir haben versucht, die beiden Gruppen voneinander zu trennen“, sagt Schramma. Dieser Teil der Veranstaltung soll am 8. und 9. Mai diesen Jahres besser klappen, wenn „Pro Köln“ erneut die rechte Szene in der Domstadt versammeln will. Wo das passiert, müssen Gerichte noch klären.
Am meisten freut sich Schramma im Rückblick über den „unorganisierten Widerstand aus der Bevölkerung“. Taxifahrer holten Europas Rechte nicht vom Flughafen ab, und weil die Bahngleise blockiert waren, sah mancher von Köln nicht mehr als das Terminal. Hoteliers stornierten Buchungen, sobald sie erfuhren, aus welcher Ecke ihre Gäste kamen. Linke Demonstranten sprengten die auf dem Rheindampfer „Moby Dick“ angesetzte Pressekonferenz von „Pro Köln“, indem sie das Schiff belagerten. In ihrer Hektik ließen die rund 60 Neonazis, die sich bei der ahnungslosen Schifffahrtsgesellschaft als Klub von Rechtsanwälten angemeldet hatten, den Kapitän ablegen. Als der aber erfuhr, wer sich da auf seinem Schiff über den Rhein schippern ließ, verweigerte er die Weiterfahrt. Polizeiboote postierten sich rund um die „Moby Dick“, die Beamten sahen eine „Provokation“ durch „Pro Köln“, denn die Bootsfahrt war nicht angemeldet. An den Ufern des Rheins formierten sich die Gegendemonstranten und beschimpften die Rechtsextremen. Diese konnten unter den Rheinbrücken nicht hindurchfahren, weil darauf die Kölner standen und mit faulen Eiern warfen. An Deck begann die Abordnung von „Vlaams Belang“, Karten zu spielen. Nach vier Stunden des Dümpelns ließ der Kapitän die rechte Truppe an der Zoobrücke an Land. Auf die Frage, wie man denn jetzt in die Stadt kommen solle, zuckte der Einsatzleiter der Polizei die Achseln. „Sie können sich ja ein Taxi rufen.“
Taxis aber kamen nicht. Dafür hatte der Kölner Taxi-Ruf-Chef und SPD-Bezirksbürgermeister von Köln-Nippes, Bernd Schlösser, gesorgt. „Ein Anruf hat genügt“, sagt Schlösser. Er habe seine Zentrale gebeten, keine Wagen in den Bereich der Zoobrücke zu schicken. So kam der „Taxi Ruf“ auch nicht in Konflikt mit dem Beförderungsgesetz. „Wenn ein Fahrgast in den Wagen steigt, muss ich ihn auch mitnehmen“, sagt Schlösser. „Aber es kann ja keiner in den Wagen steigen, wenn kein Wagen kommt.“
Am späten Nachmittag trudelten die 60 Bootsfahrer aus Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Italien schließlich in Maic Zimmermanns Lokal in Porz ein. Die Gruppe war sehr gemischt, und sah eher bürgerlich aus. Der große Saal war frei, die Rechten stellten sich als Geburtstagsgesellschaft vor und bestellte die ersten Kölsch. Es sei ein wunderschöner, warmer Tag gewesen, sagt Zimmermann. Dann erzählten Reporter dem Wirt, wen er da vor sich hatte.
Was dann geschah, kann bis heute im Internetportal „Youtube“ besichtigt werden, aber noch schöner ist es, wenn Zimmermann die Geschichte erzählt. Er habe den Nazis gesagt, dass er sie nicht haben wolle und dass die Veranstaltung beendet sei. „Dann steht so ein richtiger alter Nazi auf und brüllt mich an, sie machten jetzt eine Veranstaltung unter freiem Himmel“, erzählt Zimmermann und gibt seiner Stimme einen verwegenen Ton. „Da hab’ ich gesagt: ‚Aber nicht unter meinem Himmel, und der hört da vorne auf.‘“
Am Ende musste die Porzer Splittergruppe von „Pro Köln“ ihre Veranstaltung auf einem Supermarktparkplatz in der Nähe abhalten, weil Zimmermanns Wirtskollegen auf dessen Anrufe hin allesamt die Türen ihrer Lokale verschlossen. In der Innenstadt wollten derweil rund 300 Rechtsextreme ihre Kundgebung auf dem von Gegendemonstranten belagerten Heumarkt abhalten. Doch die Polizei erklärte es für unverhältnismäßig, den Übriggebliebenen mit Wasserwerfern den Weg zur Abschlusskundgebung zu ebnen – und verbot die Veranstaltung. Ministerpräsident Rüttgers und Oberbürgermeister Schramma sahen sich am Ende zwar genötigt, Gewalttätigkeiten von Gegendemonstranten zu verurteilen, alles in allem aber waren sie zufrieden mit dem Widerstand der Domstädter. „Die Kölner“, sagt Schramma heute, „sind schon ein aufmüpfiges Völkchen.“

Rechte Aufmärsche in Niedersachsen

– Hannover, 15. September 2007: Im Hannover Congress Centrum hält die NPD ihren Landesparteitag ab. Zuvor hat die Stadt versucht, die Veranstaltung zu unterbinden, scheitert damit aber vor Gericht. Dafür wehrt sich die gesamte Region am Tag des Parteitages: Zum Fest der Demokratie samt Demonstration kommen 15 000 Teilnehmer, um ein Zeichen gegen die Rechtsextremen zu setzen. Durch Hannover zieht eine beeindruckende Demonstration, 2000 Polizisten verhindern derweil Zusammenstöße zwischen linken und rechten Gruppen. Im Inneren des Congress Centrums filmen die Rechtsextremen die anwesenden Journalisten mit ihren Handykameras, lassen sie aber immerhin herein – anders als später beim NPD-Bundesparteitag im April 2009 in Berlin. Allerdings bezahlt die Parteispitze in Hannover dafür mit einem entlarvenden Bericht der Travestiekünstlerin Olivia Jones, die im Auftrag des NDR Interviews mit den Kadern führt. „Hallo, meine süßen braunen Häschen“, sagt sie zur Begrüßung, nur um am Ende enttäuscht zu konstatieren: „Ich bekomme keine Antworten. Das ist wirklich traurig.“
– Hildesheim, 24. Februar 2007: Knapp 200 Neonazis versammeln sich auf Initiative des Hamburgers Christian Worch, um gegen „Repression und Polizeiwillkür“ zu demonstrieren. Einige Monate zuvor hatte die Hildesheimer Polizei Aufmärsche verhindert. Gleichzeitig folgen 4000 Menschen dem Aufruf eines Bündnisses gegen rechts zur Gegendemonstration. Unter die friedlichen Demonstranten mischt sich ein sogenannter Schwarzer Block von rund 300 Menschen, die versuchen, die Polizeikette zu durchbrechen, um den Neonazis an den Kragen zu gehen. Der Versuch scheitert. Im Oktober marschieren erneut 200 Rechte in der Stadt auf. Nach 45 Minuten ist die Veranstaltung vorbei, die Polizei kann Rechtsextreme und Gegendemonstranten trennen.
– Lüneburg, 12. April 2009: Etwa 2000 Menschen demonstrieren weitgehend friedlich gegen einen Aufmarsch von rund 250 Rechtsextremen. Im Verlauf der Kundgebung muss die Polizei eine Sitzblockade auflösen, daraufhin kommt es zu gewalttätigen Attacken aus den Reihen der rechten Szene. Die angereisten Neonazis hätten die ihnen angebotene Ausweichroute nicht akzeptieren wollen, heißt es vonseiten der Polizei. Die Beamten lösen die Versammlung daraufhin vorzeitig auf.
fx

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