NP: 100 Flaggen gegen Rechts

Nächste Runde der Anti-Neonazi-Kampagne der Stadt

VON KRISTINA MILICEVIC
UND BRITTA LÜERS

HANNOVER. Jetzt ist der Junge mit der Flüstertüte nicht mehr zu übersehen. „Hannover steht auf – gegen rechts“, ruft er von zahllosen Plakaten sogar auf dem Pflaster der City, von Bierdeckeln und Litfaßsäulen. Gestern ging die Kampagne der Stadt gegen den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai in die zweite Runde: Gemeinsam mit Hans Christian Nolte, Geschäftsführer der Hannover-Marketing-und-Tourismus-GmbH (HMTG), hisste Oberbürgermeister Stephan Weil am Friedrichswall die ersten von 100 Fahnen in der Innenstadt. „Das ist nur ein Teil der vielfältigen Bemühungen aufzuklären“, betonte Weil.
25 000 Euro kostet die Kampagne. Geht es nach Weil, bilden eine große Kundgebung und ein Fest auf dem Klagesmarkt am 1. Mai den Höhepunkt der Kampagne – um die „Demokratie zu feiern“. Daran ist auch HMTG-Chef Nolte interessiert: „Hannover ist demokratisch bis auf die Knochen – auch das soll die Aktion zeigen.“
Zugleich erwartet die Stadt in diesen Tagen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Lüneburg über das von Polizeipräsident Uwe Binias verfügte Demonstrationsverbot für die Rechtsextremen. Nachdem die Neonazis in erster Instanz in Hannover gescheitert waren, hatten sie auch in Lüneburg gegen das Verbot geklagt.
Wann genau mit einer Entscheidung zu rechnen ist, wollte Gerichtssprecher Sven-Marcus Süllow gestern nicht sagen. Nicht auszuschließen sei, dass die Entscheidung erst am Donnerstag – also in sprichwörtlich letzter Sekunde – fallen werde. Denn: „Wir müssen nur rechtzeitig vor der Demo entschieden haben“, so Süllow.
Es sei hingegen nicht „zwingend juristisch erforderlich“, dem Kläger darüber hinaus ein Zeitfenster einzuräumen, damit dieser in die nächsthöhere Instanz gehen könnte. „Entscheidet sich das Gericht für ein Verbot“, so OB Weil, „wäre ich sehr erleichtert.“ Anderenfalls bliebe nur die Hoffnung, dass die Situation am 1. Mai „durch die schiere Überzahl“ der Kampagnenbefürworter nicht ausartet.
Unterdessen zeigen sich die Rechten in einschlägigen Internet-Foren weiter siegessicher, am 1. Mai in Hannover demonstrieren zu dürfen. „Wir gehen davon aus, dass unsere erfahrenen Juristen der Lage Herr werden“ heißt es dort. Dennoch diskutieren Anhänger der militanten Rechten von den sogenannten „Autonomen Nationalisten“ (AN) bereits über mögliche Ersatzorte: „Falls Hannover verboten bleibt – wohin fahrt ihr dann?“, fragt einer.
Insider halten Tschechien für eine mögliche Alternative. Dort radikalisiert sich die rechte Szene bereits seit Jahren. Deutsche und tschechische AN-Mitglieder stehen im engen Kontakt und unterstützen sich gegenseitig.

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